Obertauern. Foto: Tourismusverband Obertauern
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Stars auf Skiern: Obertauern und die doppelten Beatles

1965 sind die Beatles in Obertauern. Zum ersten Mal in ihrer Karriere sind sie nach Österreich gereist. Im Salzburger Land wollen sie Szenen für ihren Film „Help“ drehen. Es gibt da nur ein Problem: Keiner der Fab Four kann Ski fahren und nur einer von ihnen hat es überhaupt schon mal probiert. Für die wilden Verfolgungsjagden auf den Pisten müssen Doubles her.

Ein Skiort in Österreich, 1730 Meter über dem Adriaspiegel. Umgeben von Bergen. Das Jahr: 1965. Ein Spätnachmittag im März. Obertauern, jener Skiort, ist klein und beschaulich, lange nicht so bekannt oder gar so touristisch wie heute. Er ist nur über einen steilen, lawinengefährdeten Pass zu erreichen. Es gibt noch keine legendären Partys auf den Hütten, keine beheizten Sessellifte und das Wort Après-Ski hat noch niemand gehört. Nach dem Skifahren spielen junge Männer auf der Gitarre Volksweisen am Lagerfeuer um sich nach Einbruch der Dunkelheit die Zeit zu vertreiben.

In einem Zimmer im schon 1965 bekannten und beliebten Hotel Edelweiß haben sich acht junge Männer versammelt. Vier mit langen Haaren, vier mit kurzen. Die mit den langen Haaren haben Gitarren und Bass ausgepackt und machen Musik. Die mit den ordentlichen Haarschnitten lauschen dem Rhythmus.

Die Beatles geben ein Privatkonzert. Sie spielen einige ihrer größten Hits vor dem vielleicht kleinsten Publikum, das sie je hatten. John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison, die Jungs aus Großbritannien, sind auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie drehen gerade ihren zweiten Kinofilm. Hier, in der Abgeschiedenheit der Alpen, sollen die Skiszenen in den Kasten. Sie füllen europaweit Konzerthallen, sorgen selbst in der Musikwelt jenseits des Atlantik für Aufsehen und lassen junge Mädchen reihenweise in Ohnmacht fallen.

Von Hysterie keine Spur

In Obertauern werden sie selbst für Mädchen gehalten. Bei der Ankunft der Pilzköpfe im Schneekessel soll ein Schaulustiger sie doch glatt als „Weiber“ bezeichnet haben. Ansonsten nehmen die Einheimischen wenig Notiz. Sie haben nichts gegen die Beatles, aber sie wissen auch nichts mit ihnen anzufangen.

„Help“, auf deutsch „Hi-Hi-Hilfe“, heißt der Film, der im Januar 1966 viele Kilometer weiter östlich in einem Wiener Kino seine Österreich-Premiere feiert und laut Handlung eigentlich in der Schweiz spielt. Ein schneesicherer Drehort, auch im März noch, ein Bergsee, ein Bahnhof, das ist alles, was das Drehbuch vorschreibt. All das bietet Obertauern.

Ob ihre Musik ihnen gefallen habe, fragt Paul McCartney die vier jungen Männer im Hotel nach dem Konzert. Herbert Lürzer, Hans Pretschner, Franz Bogensperger und Gerhard Krings sind nicht so leicht zu überzeugen.

Beatles in Obertauern-mit-Doubles

Die Beatles mit ihren Doubles, von links: Hans Pretschner, Ringo Starr, Herbert Lürzer, Paul McCartney, John Lennon, Frank Bogensperger, George Harrison und Gerhard Krings. Foto: Tourismusverband Obertauern

„Paul hätte mir seine private Telefonnummer gegeben. Aber ich wollte sie nicht. Wir alle wollten das nicht. Wir wollten keine Autogramme, wir waren keine Fans“, sagt Lürzer heute. „Aber wir haben schon auch kapiert, dass das ein toller Rhythmus ist.“

Gewohnt sind sie solche Musik Mitte der 60er Jahre in den Alpen weiß Gott nicht.

Aber Ski fahren, das können sie. Die Fab Four hingegen können genau das überhaupt nicht. Einzig John Lennon hat bereits einmal auf Skiern gestanden. Ein Naturtalent ist er nicht. Für die Filmaufnahmen müssen deshalb Doubles auf die Bretter. Und so lernen die Liverpooler Weltstars zu Beginn der Dreharbeiten die doppelten Beatles am Kirchbühellift kennen. Die vier sportlichen Obertaurer begleiten sie fortan bei den Dreharbeiten. Und sie bemühen sich, den Originalen das Skifahren wenigstens ein bisschen näher zu bringen.

„Am Ende konnten sie rutschen“, erinnert sich Herbert Lürzer. Der doppelte McCartney von einst ist heute 71 Jahre alt. Er ist in Obertauern geblieben, das Hotel Edelweiß gehört ihm heute. Eine Beatles-Platte besitzt er immer noch nicht.

Die vier Österreicher sind nicht ihrer Ähnlichkeit mit den Beatles wegen am Set. Andreas Krallinger senior, Leiter der hiesigen Skischule, war gebeten worden, vier Doubles zu suchen, die nicht nur sicher Ski fuhren, sondern auch Englisch sprachen. Zwei von ihnen, die Skilehrer Herbert Lürzer und Gerhard Krings können das sogar richtig gut. Lürzer hat es bei seiner Ausbildung als Hotelfachwirt auf einer Kanalinsel gelernt..

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Erste Gehversuche auf Skiern: Paul McCartney und George Harrison (Mitte) mit ihren Doubles Herbert Lürzer (links) und Gerhard Krings (rechts). Foto: Tourismusverband Obertauern

Die Stunts, die das Drehbuch für sie vorsieht, springen die vier Österreicher ohne Probleme. Für „saublöd“ werden sie ihre Aufgaben später erklären.

Auch die Handlung des Films bleibt vielen verborgen – sogar den Mitwirkenden am Set. „Keiner weiß doch wirklich, worum es da so genau ging“, sagt McCartney-Double Lürzer heute. Er hat sich den Film erst Jahre später angesehen.

Als „exzentrisches filmisches Kabinettstück mit intelligenten, teils recht platten Einfällen gespickt“, bezeichnet das Lexikon des internationalen Films das Werk von Regisseur Richard Lester. Herbert Lürzer und seine drei Mitstreiter stehen darin für Szenen einer wilden und skurrilen Verfolgungsjagd in den Bergen vor der Kamera. Zuvor war in London und Bermuda gedreht worden.

Ein bezahlter Unfall und ein falscher Kuss

Langhaarige Perücken, dickes Make-Up und dunkle Anzüge lassen die doppelten Beatles echt aussehen. Zum Verwechseln echt. Zumindest, so will es der Dorfklatsch, soll Maureen Starkey, frisch vermählt mit Ringo Starr, einmal während der Dreharbeiten zur Begrüßung nicht ihren Ehemann sondern versehentlich dessen Double Franz Bogensperger geküsst haben. Autogramme verteilen sie einfach alle.

Natürlich kann es nicht ganz geheim bleiben, dass die Beatles in Obertauern sind. Zwar sind sie seit der Landung in Salzburg und der anschließenden Pressekonferenz gut abgeschirmt. Journalisten sind bei den Dreharbeiten nicht erwünscht, es gibt keine Interviewtermine. Die Beatles blödeln lieber auf der Piste herum. Dennoch berichten die österreichischen Zeitungen. In Obertauern geht sogar das Gerücht um, ein Journalist habe eine junge Frau dafür bezahlt, auf Skiern mitten in die Filmcrew zu rasen, um eine Story zu haben. Immer wieder ist im Dorfklatsch die Rede von Konzerten, die dann aber doch nicht stattfinden.

Party im Hotel Marietta

Ein öffentliches Konzert geben die Beatles schließlich aber dennoch. Anlässlich des Geburtstags von Regieassistent Clive Reed wird im Hotel Marietta gefeiert. Dort, ein paar hundert Meter vom Hotel Edelweiß entfernt, ist die gesamte Filmcrew untergebracht. Auch die Schauspieler sind anwesend. Spät am Abend stürmen die Beatles die Bühne. Whiskeyflaschen leeren sich rasant. Die Hotelbar ist so voll, dass selbst der Hoteldirektor nicht mehr für Ruhe und Ordnung sorgen kann – und das, obwohl sich Gäste wegen der nächtlichen Ruhestörung beschweren. Er kommt nicht mehr bis zur Bühne durch.

Die Musikinstrumente der Hotelband nehmen Schaden. Ein paar gerissene Klaviersaiten und ein geplatztes Fell sind die Bilanz der legendären Nacht. John, Paul, Ringo und George spielen so wild, als wollten sie auch noch den letzten österreichischen Volksmusikliebhaber von ihrer Musik überzeugen.

Es ist das erste Konzert der Beatles in Österreich – und es soll das letzte bleiben.

Lesetipp: In ihrem Buch Servus Beatles – Das österreichische Beatles-Buch beleuchten vier österreichische Autoren den Aufenthalt der Beatles in Österreich näher. Das Buch ist gespickt mit lustigen Anekdoten, Blödeleien und Ausschnitten aus Zeitungsinterviews mit den Beatles.

Zur Recherchereise nach Obertauern wurde ich vom Tourismusverband Obertauern eingeladen.
Teaserfoto: © Tourismusverband Obertauern

In Kategorie: Österreich, Reisegeschichten

Über den Autor

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Anna liebt das Geräusch von Regen auf einem Zeltdach, Gespräche am Lagerfeuer und Nordamerika. Sie würde einen spontanen Roadtrip jederzeit einem Tag am Pool vorziehen und ist am liebsten draußen - zum Wandern, Surfen oder Snowboarden.

2 Kommentare

  1. Wow, das ist echt interessant! Ich bin selbst kein Fan von den Beatles (bis auf ein paar wenigen Lieder mag ich die Musik nicht), aber die Story ist echt toll! Vor allem aus der Sicht von einem double und mit dem ganzen Dorftratsch. Übrigens eine tolle Idee, dass als Blogpost zu machen!

    Liebst, Mira

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