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Wie ich mich selbst auf eine bulgarische Hochzeit einlud

Darf man sich selbst auf eine Hochzeit einladen? Eine Hochzeit, auf der man weder Braut noch Bräutigam kennt und keinen von beiden je gesehen hat? Eine Hochzeit in einem Land, dessen Hochzeitstraditionen man nicht kennt?

Ich saß mit Neli in einem Biergarten, als sie mir zum ersten Mal von der Hochzeit in Bulgarien erzählte. Von ihrer Freundin Rumiana, die sie eingeladen hatte zu dieser Hochzeit. Von ihrer Reise nach Sofia. Sie werde ihre Eltern besuchen, viele alte Freunde wieder treffen, auch auf der Hochzeitsfeier. Ihr Freund, sagte Neli, könne leider nicht mitkommen. Trotzdem freute sie sich sehr auf diese Sommerwoche, in der sie für ein paar Tage in ihre Heimat zurückkehren würde. Ich begann, sie auszufragen. Darüber, wie eine bulgarische Hochzeit gefeiert wird. Ein Bier später bot Neli mir an, sie zu begleiten.

Ich buchte einen Flug nach Sofia um dort ein Wochenende zu verbringen mit Neli, einer Braut im kurzen Kleid, einem Bräutigam in Hosenträgern und Chucks, mit gutem und schlechtem Rakia und der Erkenntnis wie man letzteren von ersterem unterscheidet, ohne erst auf die Kopfschmerzen am nächsten Morgen zu warten und mit Gruppentänzen, die meine Kondition auf eine harte Probe stellten.

Bulgarische Hochzeit

In der Kirche wurde nicht geweint – und auch nicht geredet. Die bulgarische Hochzeit war anders. Kein ‚Ja, ich will‘, kein Vetorecht. Kein ‚Sie dürfen die Braut jetzt küssen‘. Stattdessen standen Rumi und Zhivko nur nebeneinander vor dem Altar, vor ihnen zwei Priester, die sie die Bibel küssen ließen, ihnen Goldkronen aufsetzten und die Ringe ansteckten. Ich verstand nichts von dem, was sie in monotoner Stimmlage sangen. Manchmal flüsterte Neli mir Übersetzungen ins Ohr. Am Ende der Zeremonie liefen Rumi und Zhivko ein paar mal um den Altar, gefolgt von ihren Trauzeugen. Dann waren sie verheiratet.

Ich hörte sie zum ersten Mal sprechen, als ich mich ihnen draußen vor der Kirche vorstellte und ihnen alles Gute wünschte. Hallo, ich bin Anna, die aus Deutschland, die leider kein Wort bulgarisch spricht und fast niemanden kennt, sich aber trotzdem total freut, dass sie hier sein darf. Hallo ich bin Anna, ich erwarte hier eine total ausgelassene Feier, nach den Vorstellungen, die man so hat von einer bulgarischen Hochzeit, mit viel Schnaps und noch mehr Schnaps und hunderten von Gästen. Hallo ich bin Anna, ich fühle mich gerade ein bisschen verloren, weil sich hier alle so gut kennen. Neli hat mir gerade etwas übersetzt hat, das dein Vater in der Kirche aus der Bibel vorgelesen hat, Rumi, nämlich, dass Männer das Oberhaupt der Familie sind und dass die Frauen ihnen zu gehorchen haben. Ich würde mir das ja nicht sagen lassen, schon gar nicht von meinem Vater. Nun gut, mein Vater ist auch kein orthodoxer Priester.

Und dann sagte ich nur: Hallo, ich bin Anna. Ich freue mich, euch beide kennenzulernen. Ins Gästebuch schrieb ich später, dass ich ihnen viele schöne Kinder wünsche. Und ich glaube es freute Rumi, als ich ihr noch später sagte, dass ich, falls ich einmal heiraten sollte, gerne ein Kleid wie ihres hätte. Sie hatte es schneidern lassen. Es war ein Kleid genau nach meinen Vorstellungen. Kurz, schlicht, der Rock ausgestellt. Ein Satinband um die Taille. In Bulgarien kostet das 60 Euro.

Bulgarische Hochzeit: Braut und Bräutigam eröffnen den Tanz

Wir feierten in einem kleinen Garten in den Bergen nahe Sofia. Es war eine kleine Feier, nur 60 Gäste. Wir aßen Brot mit Honig zur Begrüßung und tranken Rotwein. Wir aßen vom Buffet und tranken frisch gebrautes Hochzeitsbier. Und dann nahm Neli mich mit, um einen Rakia zu probieren, den Traditionsschnaps vom Balkan, nicht zu verwechseln übrigens mit dem türkischen oder griechischen Anisschnaps Raki. Rakia wird aus eingelegtem Obst hergestellt. Und weil so ziemlich jeder nach dem Winter eingelegtes Obst übrig hat, gibt es überall hausgemachten Rakia. Der hat je nach Herstellungsart und Hersteller zwischen 40 und 60 Volumenprozent Alkohol. Wie viel es wirklich ist, das weiß keiner je so genau.

Es gab eine große Auswahl an Rakia, große, wiederverwendete Flaschen mit einer leicht bräunlichen Flüssigkeit darin, und mit Etiketten, die ich nicht entziffern konnte. Wir öffneten eine Flasche und rochen unschlüssig daran. Wir kippten einen Schluck in ein Glas und rochen noch einmal. Wir schwenkten das Glas. Eine Freundin von Neli kam uns zu Hilfe. Sie nahm ihr den Rakia aus der Hand, tauchte den Finger hinein und verrieb ein paar Tropfen des Getränks auf ihrer Handinnenfläche. Dann roch sie daran, kopfschüttelnd, und kippte den Rest angewidert auf die Wiese. Sie erklärte uns, dass das so gut wie sicher reiner Spiritus war – nach dem ihre Hand nun roch, die sie uns fuchtelnd vors Gesicht hielt. Wäre es guter Rakia, sagte sie, würde die Hand nach Obst riechen, zumindest ein bisschen. Wir wählten eine andere Flasche und tranken sicherheitshalber nur ein halbes Glas. Fürs Erste.

Dancing to traditional Bulgarian live music

Seit dem ersten Essen am frühen Nachmittag waren alle auf den Beinen und am Tanzen und irgendwann gegen Abend, als ein Trio aus Trommler, Dudelsackspieler und Akkordeonspieler immer längere und immer schnellere traditionelle Lieder von Liebe und Herzschmerz spielte, und ich schon von diversen Gästen zum Tanzen aufgefordert worden war, konnte auch ich nicht mehr sitzen bleiben. Bei einem der leichteren Tänze stieg ich ein, rechts, linkes Bein nach vorne, rechtes Bein nach hinten, linkes Bein nach oben, rechts, linkes Bein nach vorne, rechtes Bein nach hinten, linkes Bein nach oben, rechts. Die Musik wurde immer schneller. Oder kam mir das so vor? Ich warf meine Schuhe in die Hecke und tanzte weiter, immer weiter. Als ich gefühlte Stunden später wieder aufhörte um mir endlich einen neuen Rakia zu holen, wusste ich, warum es letztlich auch völlig egal ist, wie viel Prozente der Schnaps hat: Beim Tanzen wurde man mit Sicherheit wieder nüchtern.

In Kategorie: Bulgarien, Reisegeschichten

Über den Autor

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Anna liebt das Geräusch von Regen auf einem Zeltdach, Gespräche am Lagerfeuer und Nordamerika. Sie würde einen spontanen Roadtrip jederzeit einem Tag am Pool vorziehen und ist am liebsten draußen - zum Wandern, Surfen oder Snowboarden.

3 Kommentare

  1. ralf

    auch ich war mit meiner Freundin letztes jahr in Bulgarien zu einer Hochzeit eingeladen. Ich war positiv überrascht von den Hochzeitsbräuchen in Bulgarien. Lange vor dieser Hochzeit sagte ich zu meiner Freundin , wenn ich dich heirate dann in Bulgarien. Zwei Wochen nach dem Fest machte ich ihr einen Heiratsantrag. 🙂
    Nächstes im Mai werden wir heiraten 🙂 .
    Sie ist Bulgarin und ich bin Deutscher !
    Wir freuen uns schon auf ein schönes großes Fest

  2. Inge petrsi...

    dein „Hochzeitsbericht“ aus Sofia war ja wieder ein schöner aneminabeitrag!
    Das Brautkleid gefällt auch mir und wenn es denn soweit ist, will ich dir gern
    ein solches zu deinem Hochzeitsfest schenken. Mach aber hinne, ich möchts noch erleben….

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