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Sie wollen alle nur dein Geld. Oder: Reisen ist gefährlich!

Achtung! Das ist eine Warnung. Reisen ist gefährlich. Hundsgefährlich. Gemeingefährlich. Ausrufezeichen. Ausrufezeichen. Ausrufezeichen. In jeder Stadt, in jeder Straße, an jeder Ecke lauern Gefahren. Und Touristen, wehrlose Opfer des organisierten Verbrechens, schwärmen wie Fliegen in die Fallen. Sicherheit? Eine Utopie! Reisen ist gefährlich. Das kann gar nicht oft genug gesagt werden.

Der freundliche Mann auf der Straße ist in Wahrheit ein rücksichtsloser Krimineller, der nicht, wie er vorgibt, zum Tee einladen will, sondern den ahnungslosen Reisenden mit einem zahnlosen, aufgesetzten Lächeln in seine Wohnung lockt – um ihn dort auszurauben! Der einheimische Tuk-Tuk-Fahrer an sich ist ein gewiefter Taugenichts, der seinen ausländischen Gästen immer mindestens den fünffachen Fahrpreis abknöpft – oder ihn einfach irgendwo im Nirgendwo aus dem Fahrzeug schmeißt, um dann noch mehr Geld für die Weiterfahrt zu verlangen. Die hinterhältigen alten Weiber auf den Märkten verkaufen ausschließlich minderwertige Waren zu Wucherpreisen. Handeln? Fehlanzeige! Wer das versucht, wird mit dem Bösen Blick belegt – und der ist, wie man weiß, tödlich. Auch Männer wissen ihn für sich einzusetzen. Die Sorte Mann, die ohne zu fragen Schuhe putzt und dann auch noch Geld dafür will. Schurken, wohin man sieht! Sie alle haben es nur auf eines abgesehen: Geld. Und wenn wir keines mehr haben: Unsere Haare, unsere Schuhe, unser letztes Kleidungsstück. Ja, Reisen ist gefährlich. Verdammt gefährlich.

Für den Fall, dass du es nicht schon geahnt hat: Das war jetzt nicht ganz ernst gemeint! 

Ironie aus. Reisen ist gefährlich, wenn du es dir einreden lässt und es am Ende glaubst. Den immer, wenn wir uns einer vermeintlichen Gefahr nicht bewusst sind, fühlen wir uns sicher. Das ist meistens dann der Fall, wenn wir uns zuhause oder in einer bekannten Umgebung bewegen. In der Fremde hingegen sind wir unsicher. Doch statt den Einheimischen in unserer Umgebung zu vertrauen oder sie um Hilfe zu bitten, vertrauen wir lieber dem Reiseführer – und zwar insbesondere dann, wenn uns jemand eingeredet hat, dass Reisen gefährlich ist.

Auch mir ist das passiert. Als ich auf meinem letzten Backpacking-Trip mit dem Bus die Grenze zwischen Kambodscha und Thailand überquerte, fühlte ich mich sehr gut gewappnet. Ich hatte alles gelesen, was es zum Thema Sicherheit zu sagen gab. Hatte von Schlepperbanden gehört und von Erpressung. Ich war gewarnt, dass am Grenzübergang in Poipet gerne mal Fantasiekosten und fiktive Servicegebühren für Visa berechnet werden. Auf dem Weg zum Kontrollposten hielt ich meinen Pass und meine Taschen fest umklammert.

Mein Ziel war Ko Chang, eine Insel im Südosten Thailands. Gebucht hatte ich eine Fahrt bis zur Insel – inklusive Überfahrt. Ich war nicht alleine. Mit mir waren sechs weitere Backpacker im Bus. Nachdem wir die Grenze wieder Erwarten ohne Probleme überquert und schon einige Stunden auf thailändischen Autobahnen hinter uns hatten, stoppte unser Minibus in einer Stadt – der Stadt, in der unsere Fähre ablegen würde, wie sich herausstellte. Es war dunkel und die Straße war verlassen. Und unser Fahrer wollte nicht weiter fahren. Bei mir und meinen Mitreisenden läuteten die Alarmglocken: BETRUG!

Wir hatten uns so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, dass es keine andere Erklärung für den Stopp geben konnte. Fahrer und Beifahrer gaben uns in gebrochenem Englisch zu verstehen, dass sie uns gegen zusätzliche Bezahlung auf der Insel weiterfahren würden. Für uns klang das nach genau der Art von Erpressung, vor der wir gewarnt worden waren. Wir fürchteten, nun an Ort und Stelle aus dem Bus geworfen zu werden – ohne Tickets für die Fähre und weit entfernt vom Anleger.

Wütend redeten wir auf unsere beiden Fahrer ein, bis die klein beigaben, uns zum Hafen fuhren und uns unsere Tickets aushändigten. Erst viel später, als wir schon längst an unserem Zielhafen angekommen waren, dämmerte uns, dass wir den beiden Männern möglicherweise Unrecht getan hatten. Sie hatten sogar weniger Geld für die Weiterfahrt auf der Insel verlangt als die örtlichen Taxifahrer. Sie hatten uns nur fragen wollen. Hatten dort, wo wir angehalten hatten, ein Ticket für den Bus kaufen wollen. Wieso hatten wir das nicht verstanden? Nicht verstehen wollen?

Vielleicht wäre ein bisschen mehr Vertrauen nicht verkehrt gewesen. Hatte ich mich tatsächlich von den Warnungen verunsichern lassen?

Es ist sicher nicht falsch, vor Touristenabzocke auf der Hut zu sein. Denn es gibt Situationen, in denen Reisen tatsächlich Gefahren birgt. Leben birgt Gefahren! Doch sollten wir nicht jedem Händler, jedem Tuk-Tuk-Fahrer und jedem freundlichen Menschen gleich etwas Böses unterstellen.

Es gibt Länder und Gegenden, in denen Touristen nach Plan abgezockt werden. Und natürlich sollten wir davor auf der Hut sein. Wir sollten den Preis für eine Tuk-Tuk-Fahrt immer nach unten handeln, selbst wenn der Touristenpreis noch wesentlich günstiger ist als der, den wir zu Hause für eine Taxifahrt bezahlen würden. Wir sollten es vermeiden, überteuerte Snacks und Souvenirs zu kaufen. Auch wenn die paar Euro, die wir insgesamt mehr bezahlen, uns nicht wehtun.

Aber wir müssen auch lernen, zu entspannen und zu vertrauen, und uns nicht die Laune verhageln zu lassen, nur weil wir mal ein paar Cent mehr gezahlt haben.

Wie siehst du das? Hast du dich schonmal über Touristenabzocke so richtig geärgert? Warst du schon in einer Situation, in der du gedacht hast: Ja, verdammt, Reisen ist gefährlich? Ich bin gespannt auf deine Geschichte! Erzähle sie mir per Email oder hinterlasse einen Kommentar!

In Kategorie: Reisegedanken

Über den Autor

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Anna liebt das Geräusch von Regen auf einem Zeltdach, Gespräche am Lagerfeuer und Nordamerika. Sie würde einen spontanen Roadtrip jederzeit einem Tag am Pool vorziehen und ist am liebsten draußen - zum Wandern, Surfen oder Snowboarden.

6 Kommentare

  1. Oh wie schön, sind doch deine letzten Worte. Wir kommen gerade zurück aus Vietnam und Kambodscha. Gerade am Anfang haben wir uns noch etwas geärgert, wenn wir viel zu viel gezahlt haben. Irgendwann aber, nachdem wir immer mehr mit Land und Leuten in Kontakt gekommen sind, veränderte sich unser Blickwinkel. Was ist so schlimm daran 1 oder 2 Euro (vielleicht auch 3 Euro) drauf zu zahlen. Die gibt man in Deutschland doch auch ab und an relativ unbedacht aus. Dort aber kommt es den Menschen zu Gute, die jeden Tag aufs neue schauen müssen wie es weiter geht. Wozu sich selbst ärgern über Preise, die immer noch super günstig sind, wenn es anderen Menschen helfen kann. Wir können uns glücklich schätzen, warum nicht etwas abgeben von dem was wir haben.

    Als wir am ersten Tag mit unseren Tuktuk Fahrer gefahren sind, haben wir noch versucht ihn runterzuhandeln und hatten wenig Lust mehr Dollar als die anderen Touristen zu bezahlen. Schon am nächsten Tag, zahlten wir ihm mehr als wir gemusst hätten, da er sich so lieb um uns gekümmert hatte, wir Spaß mit ihm hatten und er wahnsinnig sympatisch war. Am dritten Tag nahm er uns mit in seine Hütte, lud uns auf eine Cola ein. Er freute sich vom Herzen, dass wir seine Einladung angenommen haben.

    Nachdem ich seine Lebensumstände gesehen habe, wusste ich das es gut war, sowohl ihm, als auch anderen Menschen in Vietnam und Kambodscha ab und an einen Aufschlag zu zahlen / Trinkgeld zu geben/ etwas abzukaufen, was wir nicht unbedingt gebraucht hätten.

    Ich meine das es meistens ausreichend ist, auf seinen Menschenverstand und sein Herz zu achten. Dann kommt es oft auch bei denen an, die es ehrlich mit einem meinen, aber irgendwie ja auch überleben müssen.

    Allerdings schließe ich mich Oli an. Es gibt viele Touristen, die die Preise „versauen“ weil sie nicht mal ansatzweise darüber nachdenken, wie viel Geld sie da überhaupt bezahlen. Dadurch sind wir manchmal auch durch handeln nicht weiter gekommen: a la: zahlt ihr den teuren Preis nicht, zahlen es eben die nächsten („dummen“) Touristen. Bye bye.

    Auch wenn es für die Einheimischen teurer wird, ist das nicht toll. Leider passiert dies ja auch in unserem Land (z.B. Wohnungen die immer teurer werden). Man sollte also ein bisschen Gespür entwickeln.

    • Hallo Janine,

      vielen Dank für deinen Kommentar! Handeln ist ja immer gut, sollte man auch machen, es gehört ja in vielen Ländern zur Kultur. Aber sich ärgern, wenn es irgendwann nicht mehr tiefer geht mit dem Preis, das sollte man auf jeden Fall vermeiden. Wie schön, dass euer Tuk-Tuk-Fahrer euch sogar zu sich nach Hause eingeladen hat! Da bin ich ein kleines bisschen neidisch auf dieses Erlebnis 😉

      Liebe Grüße
      Anna

  2. Ein schöner Beitrag, Anna. Es stimmt schon: Für uns sind die Unterschiede minim und uns beisst es auch nicht gross, wenn wir nun einen Euro zahlen oder zwei. Ist ja beides günstig, der Preis für Einheimische wie auch der für Touristen.

    Trotzdem sehe ich zwei Gründe, wieso man Touristenpreise nicht durchgehen lassen sollte. Erstens schafft man einen Nährboden für die Vorstellung, dass man mit Besuchern alles machen kann. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Betrugsversuche immer dreister werden. Zweitens verändert man auch die einheimische Ökonomie. Wenn ein Tuttukfahrer weiss, dass er von einem Touristen den fünffachen Preis bekommt, dann wird es ökonomisch sinnvoll, lieber vor dem Ausgang des Taj Mahals etwas länger auf ausländische Kunden zu warten als einen billigen einheimischen Kunden zu fahren.

    Das Problem ist halt, zu erkennen, ob nun etwas wirklich eine Betrugsabsicht war oder ob man einfach die lokalen Gegebenheiten nicht versteht, wie das vermutlich in deinem Beispiel der Fall war. Die häufig vorhandene Sprachbarriere macht das ja nicht leichter. In meinen Jahren in China habe ich oft festgestellt, dass Touristen schnell einen Betrug wittern, sobald etwas anders als zu hause abläuft. Selber hatte ich aber so gut wie nie Probleme.

    Ich denke, man sollte vorsichtig sein, aber man sollte sich unbedingt davor hüten, hinter allem Betrug zu wittern.

    • Hallo Oli,

      vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar! Du hast absolut recht, man sollte auf gar keinen Fall einfach so den Touristenpreis zahlen, sondern immer wenigstens versuchen, zu handeln. Wenn’s dann aber nicht klappt, sollte man denke ich nicht allzu verbissen reagieren, denn was soll man machen, wenn man irgendwie von A nach B kommen möchte und nicht unbedingt laufen will… Oder wenn man halt Durst hat. Ich war manchmal in solchen Situationen schon so sauer, dass mir das den halben Tag vermiest hat. Bis ich festgestellt habe, dass der Preis, den ich zahle, doch immer noch relativ gering ist und sich der Ärger einfach nicht lohnt.

      Deinem letzen Satz stimme ich voll und ganz zu. Wer überall Betrug wittert, kann halt auch nicht entspannen. Und dann ist der Urlaub auch kein Urlaub.

      Liebe Grüße!
      Anna

  3. Inge petrsi...

    Ich habe viele Reisen nach Frankreich gemacht, Ferien dort verbracht mit meiner Familie. Und zwar in den Jahren 1968 bis 1980!! Wisst ihr, das war eine Zeit, als die Freundschaft zwischen Franzosen und Deutschen noch keine Selbstverständlichkeit war. Der 2. Weltkrieg hatte den Franzosen durch die Deutschen viele Wunden geschlagen. Und es gab gegenseitige Vorurteile. Wir waren damals von dem Wunsch erfüllt, den Franzosen zu vermitteln, dass es Deutsche gibt, die keine Nazis waren, sondern nur Menschen, die einander über Grenzen hinweg verständigen und verstehen wollen. Heute ist es euch möglich, viele andere Ländergrenzen zu überschreiten und Völker kennenzulernen. Toll, Anna, dass du auf deinen Reisen die Möglichkeit hast, mit Vorurteilen aufzuräumen, und dass du Reisende dazu aufrufst, Vertrauen vor Misstrauen zu stellen und einfach Mensch unter Menschen zu sein!

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