Köln gilt neben Berlin als eine der deutschen Street Art-Hochburgen. Spätestens seit der Gründung des CityLeaks Urban Art Festivals genießt die Stadt auch in der internationalen Street Art-Szene einen guten Ruf. Die großformatigen Murals, die auf dem 2011 gegründeten Festival entstehen, gehören heute genauso zum Stadtbild wie der Dom oder die Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke.
Wer die Kölner Szene kennenlernen möchte, muss raus auf die Straßen von Ehrenfeld, Nippes, Mülheim oder dem Belgischen Viertel. Was es dort zu sehen gibt und warum es einen Street Art-Künstler nach drinnen zog, um ein Hotel zu gestalten, erzähle ich in diesem Artikel. Dazu gibt es jede Menge Bilder.
Katzen gehen immer. Vielleicht ist die Katze auch deshalb das Markenzeichen von Meow. Naheliegend, irgendwie. Meow lebt in Köln und in seiner Freizeit macht er Paste-Ups mit Katzenmotiven. Das heißt, er bemalt oder bedruckt Papier, das dann irgendwie an den Wänden von Köln landet. Wie genau die Kunst dort hin kommt, soll hier nicht weiter Thema sein. Denn Paste-Ups sind illegal, auch wenn sie leichter zu entfernen sind als Farbe und deshalb mit wesentlich niedrigeren Geldstrafen geahndet werden als Graffiti.
Wäre die Street Art nicht, wäre die Gegend um den Bahnhof Köln Ehrenfeld eine farblose Gegend. An der Rolltreppe, die S- und U-Bahnhof verbindet, gibt es einen Billigbäcker, einen Paketshop, eine Spielhalle. Dazu viel Beton. Es ist eben ein Bahnhof. Kein Ort, an dem man sich lange aufhält.
Hier treffe ich Eva, die irgendwann im Laufe ihres Lebens die Street Art als Kunstform entdeckt hat und seitdem mit einem anderen Blick durch die Straßen dieser Welt läuft. Um auch anderen Menschen für die Kunst auf der Straße die Augen zu öffnen, gibt sie ihr Wissen seit einigen Jahren bei Free Walking Tours durch Köln weiter.
Ein Streifzug durch die Street Art-Hochburg
Neben Meows Katze zeigt eine bemalte Kachel von Adultremix einen weiblichen Che Guevara mit Maske, daneben sind ein paar weitere Paste-Ups und im Tunnel unter den S-Bahngleisen haben mehrere Künstler einen alten Kaugummiautomaten verziert.
Vieles entdecke ich erst beim zweiten oder dritten Hinsehen. Eva sagt, dass das normal sei. Selbst Ehrenfelder seien manchmal völlig überrascht, wie viel sie noch nicht entdeckt haben.
Street Art ist wie das Leben. Du weißt nie wie lange du es hast. – Eva
Auch, weil manche Dinge entweder von einem auf den anderen Augenblick da oder von einem auf den anderen Tag wieder verschwunden sind. Überklebt, überstrichen, entfernt, geklaut. „Street Art ist wie das Leben. Du weißt nie wie lange du es hast“, sagt Eva.
Wir laufen ein paar Schritte entlang der Venloer Straße und biegen bei der Polizeiwache in den Hinterhof ein. Hier erinnern einige große Murals von lokalen und internationalen Künstlern an das CityLeaks Festival von 2013. Sie alle sind seit vielen Jahren aus Respekt vor der Kunst weitgehend unbeschädigt.
Nur auf einem Mural ist ein Kommentar zu finden: Die Kölner Künstlerin Joiny hat einen kleinen rosafarbenen Hippie-Bus auf das Bild „Surveillance of the fittest“ ihrer Kollegen vom Kollektiv Captain Borderline geklebt.
Das Mural „Surveillance of the fittest“ entstand 2013 – also kurz nach der Enthüllung des NSA-Datenskandals durch Edward Snowden. Der Titel ist eine Anspielung auf Darwins „Survival of the fittest“ – das Überleben des Angepasstesten. Das Mural des Kölner Kollektivs Captain Borderline, auf dem ein amerikanischer Weißkopfadler eine Herde von Schafen mit Kameras überwacht, zeigt also die „Überwachung des Angepasstesten“. Es fand weltweit Beachtung. Mehr zu den Hintergründen und der politischen Botschaft hinter dem Bild erzählen die Künstler in diesem Youtube-Video.
Es ist eine Antwort auf die dystopisch düstere Stimmung des Murals: „Ein bisschen Farbe kann die Welt total verändern“, sagt Eva. Doch es steckt noch mehr hinter Joinys Kommentar als das – eine politische Botschaft, Rebellion im Kleinen: Du musst nicht Teil des Systems sein, du kannst laut und kunterbunt bleiben und zur Not wegfahren. Oder dir halt erstmal einen Joint drehen – Joinys Markenzeichen.
Während wir weiter laufen, erklärt mir Eva, warum die Street Art sie so sehr fasziniert – auch die illegale. „Der Mensch holt sich den Raum zurück, den er nicht bekommt. Soziologisch ist das unfassbar spannend.“
Ob Street Art als Schmiererei gesehen wird oder als Kunst, entscheidet der Betrachter. Doch eines ist nicht zu leugnen: In einigen Werken stecken nicht nur Botschaften, sondern auch große künstlerische Begabung. „Aber für manche ist das einfach ein Hobby“, sagt Eva.
Weil die Strafen fürs Sprayen recht hoch sind, seien einige Künstler sogar verschuldet, erzählt Eva. Wer nicht nur auf Nacht- und Nebel-Aktionen verzichten, sondern mit seiner Kunst auch Geld verdienen will, muss also anfangen, legal zu sprayen. Eine durchaus erstrebenswerte Sache, wenn es nach Tim Ossege geht.
„Früher bin ich nachts aufgestanden um zu sprayen, das ist mir heute zu anstrengend“, sagt der Künstler. Besser bekannt ist er unter seinem Pseudonym seiLeise.
Einen Namen machte er sich mit Paste-Ups und mit Reverse Graffiti – also Graffiti, die sichtbar werden, weil die Künstler zum Beispiel mit Schablonen Dreck von der Straße entfernen. Eine rechtliche Grauzone. „Man müsste ja erstmal klären, wem der Dreck auf der Straße gehört, bevor man einen Künstler verurteilen könnte“, sagt Tim.
Sein letzter Großauftrag führte den Kölner von der Straße weg nach drinnen. Im Auftrag der Lindner Hotels gestaltete er das Kölner Lindner Hotel City Plaza um. Dort sind nun auf den Fluren aller sechs Stockwerke seine Werke zu sehen.
Sie drehen sich um die großen Kölner Themen und bringen den Besuchern so auch gleich die Stadt näher: Den Dom, den Karneval, das Schokoladenmuseum, den Zoo oder den typisch kölnischen Duft von 4711 etwa. Hinter QR-Codes sind Geschichten und Erklärungen zu den einzelnen Bildern zu finden. So wird dort etwa erläutert, warum der FC-Fan im Dom zum bayerischen Wappen betet.
Leben von der Kunst oder eine Banane als Gütesiegel
Nur wenige Street Art-Künstler schaffen es so wie Tim Ossege, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen. Noch weniger können von ihrer Arbeit leben.
Einer von ihnen ist Thomas Baumgärtel, der ebenfalls in Köln lebt. Besser bekannt ist er vielen als der Bananensprayer. Er begann vor einigen Jahren, mit Schablonen Bananen auf Wände zu sprayen. Und zwar überall dort, wo er auf sehenswerte Kunst in Galerien und Museen hinweisen wollte. Heute wird die Banane oft kopiert. Sie ist zum Gütesiegel geworden. Für Thomas Baumgärtel ein Glücksfall. Er ist einer der gefragtesten deutschen Street Art-Künstler.
Wie es der Zufall will, kommen wir gegen Ende unserer Tour durch Ehrenfeld an einer Banane vorbei. Sie prangt auf Schienbeinhöhe an einer Hauswand. Wenige Schritte weiter läuft uns Meow über den Weg. Eva und er grüßen sich und wechseln ein paar Worte. Er schüttelt mir die Hand. Dann muss er auch schon weiter.
Street Art in Köln: Infos und Tipps
Street Art findest du überall in Köln. Hotspots sind Ehrenfeld und das Belgische Viertel, aber auch Nippes und Mülheim. Führungen bieten zum Beispiel Eva mit Alternative Cologne Tours oder auch die Initiatoren des CityLeaks-Festivals an.
Wer Eva folgen will, findet sie auf Instagram unter @alternativecolognetours. Eine Übersicht über ihre Free Walking Tours gibt es auf ihrer Website und Tickets dafür bei Eventbrite.
Eine Übersicht über die CityLeaks-Führungen gibt es auf der CityLeaks-Website.
Wenn du die Street Art-Szene Kölns auf eigene Faust erkunden möchtest, hilft die Urban Art Map Köln. Der Stadtplan listet mehr als 100 Murals und ist zum Beispiel im Service-Center von Köln-Tourismus am Dom erhältlich.
Das nächste CityLeaks Urban Art Festival findet vom 31. August bis zum 21. September 2019 statt. Mehr Infos dazu gibt es auf der Facebook-Seite von CityLeaks.
Schöner schlafen: Hoteltipp Köln
Street Art-Freunde werden sich im Lindner City Plaza wohl fühlen. Denn die Flure des Hotels hat der Kölner Street Art-Künstler seiLeise gestaltet. Schon beim Aussteigen aus dem Aufzug leuchtet den Hotelbesuchern auf jedem Flur ein großformatiges Wandgemälde entgegen.
Das Hotel ist sehr zentral am Friesenplatz gelegen. Die Zimmer sind frisch renoviert und modern und zum Frühstück gibt es nicht nur frisches Omelette, mehrere Säfte, eine große Müsli-, Obst-, Brot- und Aufstrichauswahl, sondern auch frische Pancakes aus dem Pancake-Automaten.
Adresse: Hotel Lindner City Plaza Köln, Magnusstraße 20, 50672 Köln, Doppelzimmer ab ca. 100 Euro pro Nacht, buchbar direkt bei Lindner Hotels oder zum Beispiel bei booking.com*.
Möchtest du mehr über Street Art lesen? Dann schau mal hier: Kunst statt Graffiti: Auf Mural-Arts-Tour durch Philadelphia.
Herzlichen Dank an die Lindner-Hotels für die Einladung nach Köln. Meine Meinung über Kölns Street Art-Szene, das Hotel im Allgemeinen und Pancake-Automaten im Speziellen sind von dieser Einladung nicht beeinflusst. Mit * gekennzeichnete Links sind Affiliate-Links. Wenn du über einen solchen Link ein Hotel buchst, erhalte ich eine Provision. Du zahlst den gleichen Preis und unterstützt gleichzeitig meine Arbeit. Mehr dazu.