Die Trolltunga ist eine von Norwegens spektakulärsten natürlichen Sehenswürdigkeiten. Hoch über dem Sørfjord thront die rund zehn Meter lange Felszunge, die zahlreiche Postkarten aus Norwegen ziert. Einmal dort oben stehen und hinuntersehen auf die Welt, das wäre was. Wenn da nicht diese eine Sache wäre – die Sache mit der Höhenangst…
Ja, ich habe ein bisschen Höhenangst. Ehrlich gesagt, ein bisschen ist sogar ein bisschen untertrieben. Je nachdem, wie tief ich theoretisch fallen könnte, schlottern meine Beine mal wie Wackelpudding und mal wie festgekochter Grießbrei. Gitterböden in schwindelerregender Höhe? Geht gar nicht! Niedrige Mauern und Geländer? Schwierig. Vorsichtig taste ich mich an Abgründe heran, ganz langsam, und dann, meistens, springe ich schnell wieder zurück. Nur manchmal bleibe ich stehen, atme tief durch und halte mich an irgendetwas fest. In Dubai habe ich es vor Kurzem geschafft, mich an das gläserne Geländer einer Hochhaus-Dachterrasse zu lehnen und über die Stadt zu schauen. Erst als mein Blick direkt nach unten fiel, trat ich schleunigst den Rückzug an.
Als Kind bin ich an den Cliffs of Moher in Irland auf dem Bauch liegend bis zum Rand des Steilfelsens gerobbt und habe den Kopf über die Klippe hängen lassen – sehr zum Ärger und zur Beängstigung meiner Eltern. Meine eigene Angst kam später. Und doch habe ich nie aufgehört, es zu versuchen. Jahre später habe ich von einem ungesicherten Felsvorsprung aus in den Grand Canyon hinabgeblickt. Auch das war ziemlich unheimlich – aber auch ziemlich aufregend. Ich meide den Abgrund nicht, ich versuche, mich mit ihm anzufreunden. Er fasziniert mich.
Und genau deshalb will ich einmal dort oben stehen, auf der Trolltunga, und hinabsehen auf die Welt darunter, am Sørfjord in Norwegen, und auf den 350 Meter tiefer liegenden Ringedalsvatnet-Stausee. Ganz vorne, ungesichert, tief atmen und meinem Puls beim Rasen zuhören.
Die Trollzunge wird nach vorne hin immer schmaler und dünner – wie eine ausgestreckte Zunge eben. Meiner Höhenangst selbst die Zunge herausstrecken und sagen, ätsch, siehst du, ich kann das! Das wäre doch was, oder?
Trolltunga: So kommst du hin
Die Trolltunga zu erreichen, ist leider gar nicht so einfach. Die Standseilbahn, die den Bergkamm seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit Skjeggedal verband, fährt seit 2012 nicht mehr. Ersatzweise soll eine Straße gebaut werden. Bis die fertig ist bleibt nur der Weg zu Fuß, entweder über einen knapp elf Kilometer langen Wanderweg oder auf einer schmalen Treppe entlang der stillgelegten Bahngleise – 2.551 Stufen verbinden Tal- und Bergstation – auf 960 Metern.
Hallo Anna,
danke für diesen Artikel! Ich finde es irgendwie beruhigend, dass es noch andere Menschen gibt, denen es genauso geht wie mir. In den Szenarien, die du beschreibst, wie du dich an Abgründe wagst, dass du niedrige Geländer und Mauern schwierig findest, usw. – darin erkenne ich mich sehr gut wieder 😉 Brücken finde ich manchmal auch schon etwas problematisch (Golden Gate Bridge z.B.) und ich stelle auch oft fest, dass der Kampf mit der Höhenangst tagesformabhängig sein kann. Ziemlich lästig das Ganze, aber ich versuche auch immer das Beste draus zu machen und mich meiner Angst zu stellen – manchmal klappts, manchmal nicht. Wie auch immer, falls du mal auf der Trolltunga stehen solltest, sag Bescheid 🙂
Liebe Grüße
Mandy
Hallo Mandy,
vielen Dank für deinen Kommentar! Gut zu wissen, dass ich mit meinem Problem nicht alleine bin 🙂
Liebe Grüße!
Anna